Die politische Agenda für das Jahr 2012 war für die Antifa Hohenschönhausen schon vor Jahresbeginn gesetzt. Schwerpunkt sollten die Aktionen gegen das Berliner Neonazi-Netzwerk „NW-Berlin“ und seinen Lichtenberger Stützpunkt in der Lückstraße 58 sein. Dazu wurde die erste Jahreshälfte einige Energie aufgewandt, zusammen mit anderen Antifaschist_innen die Broschüre „Motiv.Rechts 3“ herauszubringen. Die Broschüre wurde in einer Auflage von 2500 Stück gedruckt und ab Mai deutschlandweit verteilt und verschickt. Vielen engagierten Bürger_innen und Antifaschist_innen wurde sie eine Wissensstütze und Argumentationshilfe gegen das Neonazi-Netzwerk.
Der Nazitreff in der Lückstraße 58 war mehrere Male dieses Jahr Ziel von politischen Aktionen. Eine dortige Feier am 20. April – dem Geburtstag Adolf Hilters – wurde mit einer antifaschistischen Kundgebung begleitet. Am 8. September fand ein berlinweiter Aktionstag gegen Nazistrukturen statt, auch wir organisierten zusammen mit lokalen Akteur_innen eine weitere Kundgebung vor dem Nazitreff. Bei der Kundgebung, zu der trotz Regen ca. 80 Leute kamen, gab es eine mobile Ausstellung zum Thema „NW Berlin“, Info-Stände und eine Bühne mit Live-Musik.
Im Vorfeld der diesjährigen Silvio-Meier-Demonstration, die erneut die Lückstraße 58 zum Thema hatte, veröffentlichten wir einen eigenen Aufruf und verteilten ihn im Umfeld. Mehrere tausend Antifaschist_innen zogen vor das Haus und forderten die Schließung des Nazitreffs.
Nazis im Bezirk
Gleich zweimal hielt die Berliner NPD dieses Jahr eine Kundgebung am Prerower Platz ab. Am 1. Mai nahmen daran 30 Neonazis teil, denen über 200 Gegendemonstrant_innen gegenüber standen. Am 27. Oktober waren es lediglich neun Neonazis, die aufgrund der 40 Gegendemonstrant_innen nicht zu hören waren. Von der Lichtenberger NPD war ansonsten in diesem Jahr nicht viel zu vernehmen. Neben ihren Auftritten in der Bezirksverordnetenversammlung versuchte sie selten den Gang in die Öffentlichkeit. Die Teilnahme an einem Bezirksgedenken an die Opfer des lokalen NKWD-Lagers blieb Manuela Tönhardt in schlechter Erinnerung, weil der NPD-Kranz entfernt wurde. Infostände fanden nur spärlich statt, selbst öffentlich angekündigte Stände fielen mehrfach aus. Lediglich am „Volkstrauertag“ versammelten sich mehrere dutzend Neonazis auf einem Friedhof in der Konrad-Wolf-Straße und legten dort einen Kranz für Wehrmacht-Soldaten nieder.
Zwei Konzerte von rechten Bands wurden in diesem Jahr im Bezirk bekannt. Nachdem bekannt wurde, dass der „patriotische“ Liedermacher Sascha Korn in einem „Hells Angels“-Heim in der Gärtnerstraße auftreten wolle, unterband der Bezirk das Konzert. Die Jahresfeier der Berliner Nazi-Rocker-Vereinigung „Vandalen – Ariogermanische Kampfgemeinschaft“ in der Lichtenberger Vulkanstraße wurde von der Polizei aufgelöst.
Von den Strukturen von „NW-Berlin“ war in diesem Jahr neben regelmäßigen Propagandatouren rund um den Treffpunkt in der Lückstraße 58 nicht viel zu vernehmen. Die Hakenkreuze, Slogans, Aufkleber und Plakate waren meist schon am nächsten Tag verschwunden. In diesem Jahr fand aus diesem Personenkreis lediglich eine öffentliche Kundgebung im Bezirk statt- eine Kundgebung von 30 Neonazis gegen das Silvio-Meier-Gedenken. Die etwas mehr als 25 Neonazis mussten außer Sicht- und Hörweite ausharren, während mehrere tausend Antifaschist_innen durch den Weitlingkiez zogen.
Auch die beiden Internetseiten „NW-Berlin“ und „Chronik-Berlin“, auf denen politischen Gegner_innen mit Gewalt gedroht wurde, sind seit mehreren Wochen nicht erreichbar. Die Berliner Presse und Politik diskutiert seit Monaten offen ein Verbot der Struktur. 2012 war kein gutes Jahr für die Lichtenberger Neonazis.
Gedenkstättenfahrt
Die diesjährige Gedenkstättenfahrt wurde erneut gemeinsam von Jugendlichen und jungen Heranwachsenden aus Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Pankow organisiert. Das Thema war dieses Mal „Euthanasie im NS“ und so wurden im Vorfeld der Fahrt drei Ausstellungen in Berlin besucht, die Ausstellung „Kinderhimmel“ im Hohenschönhausener Studio im Hochhaus, eine Ausstellung zum Thema „Kindereuthanasie“ in der „Topografie des Terrors“ und die Ausstellung „Totgeschwiegen“ in der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik. Nach einem Filmabend im LaCasa fuhren zu Pfingsten etwa 30 Teilnehmer_innen nach Dessau, um von dort aus die ehemaligen T4-Tötungsanstalt Bernburg und das ehemaligen KZ Lichtenburg zu besuchen. In selbst organisierten Workshops wurden anschließend aktuelle Bezüge zum Thema diskutiert.
Wenige Wochen nach der Fahrt unternahmen einige Teilnehmer_innen der Fahrt noch einen Exkurs in die KZ-Gedenkstätte Ravensbrück – wo einige Menschen inhaftiert waren, die später den Tod in Bernburg fanden.
Veranstaltungen zur Fußball-EM
Unter dem Motto „You'll never walk alone“ organisierten die AINO und Siempre Antifascista im Mai und Juni eine Veranstaltungsreihe, an der wir uns mit einer Veranstaltung zu „Antisemitismus im Fußball“ und an der Organisation eines Fußball-Turniers in Hohenschönhausen beteiligten. Am Fußball-Turnier nahmen etwa 90 Leute teil.
9. November
Auch dieses Jahr veranstalteten wir einen Rundgang in Gedenken an die Opfer der Novemberprogrome 1938. Zusammen mit der AINO führten wir am 10. November einen Gedenkrundgang durch Alt-Hohenschönhausen durch, um an die damalige Synagoge, den jüdischen Arzt Victor Ahronstein, den Filmemacher Erwin Leiser und an weitere aus Hohenschönhausen deportierte Jüdinnen und Juden zu erinnern.
Rummelsburg
Am 13. Dezember, einen Tag vor der Einweihung zweier Stelen in Gedenken an die ehemaligen Arbeitshäuser und Haftanstalten Rummelsburg verteilten wir in der Gegend Flugblätter, die auf die – unserer Meinung nach – falsche Gewichtung des dortigen Gedenkens aufmerksam machten
Die Eröffnungsfeier am Folgetag bestätigte unsere Befürchtungen. Während der Epochen von 1879 bis 1945, als dem Deutschen Kaiserreich, der Weimarer Republik und dem Nationalsozialismus mit seiner Vernichtungspolitik insgesamt nur eine Tafel gewidmet wurde, war die Zeit der DDR auf einer eigenen Tafel sehr detailliert dargestellt. Diese Gewichtung bekam noch dadurch einen faden Beigeschmack, als ein ehemaliger Inhaftierter aus der Zeit der DDR von "Nachkriegs-KZs" sprach, und von der "SED-Herrschaft in Lichtenberg", die erst 2011 beendet worden sei, halluzinierte.
„Manic Monday“ - Infocafé in Lichtenberg
Zusammen mit unseren Freund_innen vom Unabhängigen Jugendzentrum (UJZ) Karlshorst schafften wir es, auch dieses Jahr zwei Infoveranstaltungen, Filmabende und Diskussionsrunden pro Monat zu realisieren. Die Themen reichten dabei von geschichtlichen Themen wie „Verfolgung von sog. 'Asozialen' im NS“ und „Die Geschichte der Roten Hilfe“ hin zu aktuellen Themen, so unter anderem „Homophobie im Hiphop“ und „Verschwörungstheorien“. An den Veranstaltungen in der JFE Linse und dem UJZ nahmen bis zu 30 Menschen teil.
Publikationen
Neben der „Motiv.Rechts 3“ veröffentlichten wir zusammen mit Marzahn-Hellersdorfer Antifaschist_innen auch dieses Jahr drei Ausgaben der Jugendzeitung „Abuje“. Die Nummern 36 bis 38 wurden über das Jahr herausgebracht und vor Schulen in den Bezirken verteilt. (Sie sind alle auf der Internetseite www.abuje.de nachzulesen)
Last but not least
Nicht vergessen sind natürlich die Proteste gegen den Trümmerhaufen „PRO Deutschland“ am 11. Februar am Anton Saefkow Platz, die auch die Pro-Deutschen noch gut in Erinnerung haben dürften. Auch die Demonstration des „Liberation Weeks“-Bündnisses am 20. April gegen einen NS-Kriegsverbrecher in Weißensee, die am Hohenschönhausener Storchenhof startete, die „Bunter Wind“-Kampagne des Lichtenberger Bündnisses für Demokratie gegen die Lückstraße 58 und die Silvester-Demonstration, bei der 200 Menschen vor dem Frauenknast die Freilassung von politischen Häftlingen forderten, sollen erwähnt werden.
Unsere Partner_innen-Organisation VVN-BdA Lichtenberg war auch 2012 mit vielfältigen Aktivitäten, unter anderem einem antifaschistischen Stadtrundgang im Kaskelkiez, im Bezirk wahrnehmbar und unterstützte uns bei einigen unserer Projekte.
Unsere Halloween-Party im ZGK war wie immer grandios und sorgte für die notwendige Finanzierung unserer politischen Arbeit.
Und natürlich freut uns, dass im WB13 wieder regelmäßig Veranstaltungen, Filmabende und Konzerte stattfinden. Die Platte lebt.
Auf ein erfolgreiches, gemeinsames Jahr 2013.
Antifa Hohenschönhausen,
Januar 2013