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Berliner Rechtsextremisten suchen den Schulterschluss mit Russlanddeutschen. Anlass ist das Gerücht um eine angebliche Vergewaltigung in Falkenberg.

In den vergangenen zwei Wochen schlug ein vor allen in sozialen Netzwerken und russischen Medien gestreutes Gerücht um eine vermeintliche Entführung und Vergewaltigung einer 13-Jährigen aus Marzahn in Berlin-Falkenberg hohe Wellen. Die Polizei dementierte, schrieb dass es „weder eine Entführung noch eine Vergewaltigung“ gab. Die Staatsanwaltschaft spricht von einem „einvernehmlichen Sexualkontakt“, ermittelt wird aber wegen sexuellen Missbrauchs, da das Kind noch minderjährig ist. Dennoch sorgt der Fall vor allem in der deutsch-russischen Community weiterhin für Empörung. In der Debatte sind auch Rechtsextremisten oder rechtsextreme Facebook-Seiten wie „Nein zum Heim Marzahn-Hellersdorf“ und „Kein Asylanten-Containerdorf in Falkenberg“ treibende Kräfte.

Es kam zu flüchtlingsfeindlichen Attacken in der Region. So wurde am vorletzten Freitag die Asylunterkunft in Falkenberg von russischsprachigen Männern angegriffen, in Marzahn wurden Flüchtlingskinder von einem Mann mit einem Messer bedroht. Bei einer Kundgebung der NPD am darauf folgenden Samstag unter dem Motto „Männer schützt eure Frauen“ beteiligten sich neben rund 30 Neonazis um NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke und dem Marzahner Kreisvorsitzenden Andreas Käfer auch eine größere Zahl Russlanddeutscher. Am Abend berichteten Neonazis erneut von einer Gruppe von Russlanddeutschen vor der Asylunterkunft in Falkenberg, die von der Polizei gestoppt werden musste: „Wenigstens ein europäisches Volk was nicht alles kommentarlos hinnimmt“, jubelten sie dazu auf Facebook.

Am Folgetag zogen rund 30 Neonazis als „Kiezstreife“ mit Polizeibegleitung durch Berlin-Hellersdorf, parallel wurde zur Bildung einer „Bürgerwehr“ aufgerufen. Eine unangemeldete Versammlung am Montag „gegen Vergewaltigungen von Flüchtlingen“ in Marzahn hingegen wurde von der Polizei aufgelöst. Unter den rund 200 mehrheitlich russlanddeutschen Teilnehmern waren auch einige Neonazis.

Anmelder mit extrem rechten Verbindungen

Am vergangenen Samstag fand nun die größte Versammlung in dem Kontext mit bis zu 700 Menschen, überwiegend aus der russlanddeutschen Community am Kanzleramt statt. Auch wenn die Organisatoren betonten, die Veranstaltung sei nicht rassistisch und gegen Ausländer gerichtet, lassen Motto („Gegen sexuelle Gewalt an Frauen und Mädchen durch Migranten und Flüchtlinge“), Redebeiträge und Transparente mit Slogans wie „Stoppt Emigrantengewalt“ und „Nein zum Heim Lichtenberg“ keinen Zweifel an der flüchtlingsfeindlichen Ausrichtung der Kundgebung. Der Anmelder der Versammlung forderte, „den Flüchtlingszustrom (zu) stoppen“ und eine „totale Änderung“ der „ganzen Migrationspolitik“, von der er die „christliche Zivilisation“ bedroht sehe. Ein anderer bezeichnete Flüchtlinge als „Invasoren und Okkupanten“, die das Land besetzen würden. Zwischen den Redebeiträgen zählte ein Moderator vermeintliche Straftaten durch Migranten auf, die angeblich alle von der Polizei vertuscht worden seien. Ab und an wurden „Merkel muss weg“-Sprechchöre angestimmt.

Angemeldet wurde die Kundgebung für den „Internationalen Konvent der Russlanddeutschen“ von Genrih Grout, der sich auch Heinrich Groth nennt. Grout fiel durch Kontakte zur NPD oder der Neuen Rechten auf. Er gab dem NPD-Blatt „Deutsche Stimme“ sowie dem verschwörungstheoretischen „Compact“-Magazin Interviews. 2006 war er Kandidat für die ultrarechte „Offensive D“ im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf. Grout hat eine führende Funktion beim „Schulverein zur Förderung der Russlanddeutschen in Ostpreußen e.V.“, der in vergangenen Jahren mehrfach das „Lesertreffen“ des „Zuerst!“-Magazins aus der geschichtsrevisionistischen Verlagsgruppe von Dietmar Munier organisierte. (bnr.de berichtete)

Auf der Seite des „Konvents“, die mit als erste das Vergewaltigungsgerücht streute, finden sich neben Beiträgen von Grout auch Artikel und Videos von Andrej Triller, Mitbegründer des „Arbeitskreises der Russlanddeutschen in der NPD“. Auf der Seite findet sich auch ein gemeinsames Video der beiden.

„Russlanddeutsche, willkommen zuhause!“

Unter den Teilnehmern der Kundgebung am Samstag befanden sich mehrere bekannte Neonazis wie der Marzahner NPD-Chef Käfer oder auch Patrick Krüger, der zuletzt stellvertretender Landesvorsitzender von „Die Rechte“ in Berlin war. Während Käfer mit Flugblättern für eine Kundgebung am kommenden Freitag in Berlin-Köpenick warb, bedrohte Krüger mit mehreren Begleitern gleich zu Beginn zwei Fotografen. In dem Tross der Rechtsextremisten war auch NPD-Aktivist Jens Irgang, der in der Vergangenheit für „Kein Asylanten-Contianerdorf in Falkenberg“ die Versammlungen anmeldete.

An der Kundgebung beteiligten sich ferner Anhänger von „Bärgida“, darunter der Reichsbürger-Aktivist Christoph Kastius, „pro-Deutschland“-Funktionär Stephan Böhlke und René Menzel, der im Nachgang Fotos von missliebigen Journalisten auf seine Seite „Bärgida Supporters“ stellte und einen als Faschisten beschimpfte.

Die rechtsextreme Szene Berlins erhofft sich mit diesen Aktivitäten auch den Schulterschluss mit der deutsch-russischen Community. Zudem dürfte die NPD angesichts der bevorstehenden Wahl im September bestrebt sein, neues Wählerpotential zu erschließen. Am Montag veröffentlichte Landeschef Schmidtke eineh NPD-Plakatentwurf auf seiner Facebook-Seite: „Gleiches Recht für alle Landsleute – Russlanddeutsche, willkommen zuhause!“

Theo Schneider

http://www.bnr.de/artikel/hintergrund/neue-b-ndnispartner