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Der Berliner AfD-Politiker Kay Nerstheimer soll Homosexuelle als „degenerierte Spezies“ bezeichnet haben. Vor Gericht schwieg er.
Wegen rechtslastiger Sprüche ausgerechnet aus der AfD zu fliegen, ist ohne Zweifel eine reife Leistung. Kay Nerstheimer, Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus hat das tatsächlich geschafft. Seine rechtsextremen Tiraden kosteten den 53-Jährigen nicht nur die Mitgliedschaft in der AfD-Fraktion, sie brachten ihm auch eine Anklage der Generalstaatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung ein. Am Freitag begann sein Prozess vor dem Amtsgericht Tiergarten.

Was dem Angeklagten zur Last gelegt wurde, waren nicht einfach nur rechte Sprüche. Insbesondere seine Wortwahl erinnert stark an dunkelste Zeiten der jüngeren deutschen Geschichte. In zahlreichen Beiträgen auf der Social-Media-Plattform Facebook widmete er sich vor allem dem Thema Homosexualität. Seine Äußerungen dazu bildeten auch das Gerüst der Anklageschrift, die die Generalstaatsanwaltschaft verfasste. Homosexuelle seien eine "degenerierte Spezies" und sozial "minderwertig", Kinder müssten vor ihnen geschützt werden, und zum Glück könnten sich Homosexuelle nicht vermehren, da habe die Natur einen Fehler ausgebügelt, hieß es laut der Anklage unter anderem in seinen Wortbeiträgen.


Die Wohnanschrift des Angeklagten bleibt geheim

Dass Nerstheimer den ehemaligen Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) bei Facebook als "Party-Prinzessin" bezeichnete und dem Grünen-Politiker Volker Beck empfahl, seine Homosexualität in aller Stille auszuleben anstatt andere Menschen damit zu belästigen, gehörte da noch zu den harmloseren Ausfällen des 53-Jährigen. Nicht nur Homosexuellen, auch Flüchtlingen widmete sich der 53-Jährige ausgiebig. "Widerliches Gewürm" heißt es in einem Beitrag zur letzteren Gruppe. Inzwischen hält sich der Abgeordnete in der Öffentlichkeit merklich zurück, seinen Facebook Account hat er schon vor längerer Zeit gelöscht.

Vor Verhandlungsbeginn am Freitag in Moabit gab sich der kräftig und kompakt wirkende Angeklagte demonstrativ entspannt. Locker plauderte er mit seinem Verteidiger und schaute vor dem Verhandlungssaal freundlich lächelnd in die Runde, ein jovialer Mittfünfziger, der niemandem etwas Böses will. In der Verhandlung selbst wurde er dann deutlich leiser, seine Angaben zur Person kamen fast verschämt flüsternd, sofern er überhaupt etwas sagte. Nein, seine Wohnanschrift möchte er lieber nicht nennen, murmelte der Angeklagte, wohl auch mit Blick auf die vielen Zuhörer, die eindeutig erkennbar keine AfD-Anhänger waren. Zu den Vorwürfen schwieg er dann vollständig.

Nerstheimer wollte in Berlin eine "Miliz" gründen

Dass die Äußerungen wie in der Anklage aufgeführt gefallen sind, daran besteht ohnehin kein Zweifel. Die Texte sind in der Ermittlungsakte dokumentiert. Im Vorfeld des Prozesses hatte Nerstheimer sich noch in Interviews gerechtfertigt. Einige seiner Aussagen seien "aus dem Zusammenhang gerissen" wiedergegeben worden, zu anderen sei er "regelrecht provoziert worden". Sein Verteidiger beantragte am Freitag einigermaßen überraschend das Einholen eines Gutachtens. Sein Argument: Homosexualität als "widernatürlich" zu bezeichnen, sei eine vertretbare wissenschaftliche These, dazu müsse ein medizinischer Sachverständiger gehört werden.

Kaum waren die Äußerungen des Abgeordneten Anfang 2015 bekannt geworden, leitete der Berliner AfD-Landesverband ein Parteiausschlussverfahren ein. Eine Entscheidung ist bis heute nicht gefallen. Dem bevorstehenden Rauswurf aus der Fraktion kam Nerstheimer, der seinen Wahlkreis direkt gewann, allerdings zuvor, in dem der die Fraktion freiwillig verließ. Seither sitzt er als fraktionsloser Abgeordneter im Landesparlament.

Es waren allerdings nicht nur die verbalen Ausfälle, die dem 53-Jährigen zu fragwürdiger Berühmtheit verhalfen. Hinzu kam auch seine frühere Mitgliedschaft in der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften "German Defence League", einer Art Bürgerwehr. In der wollte er eine streng militärisch organisierte "Miliz" zur Unterstützung der Polizei aufbauen. Sein Prozess wird am 13. Februar fortgesetzt.