In Berlin mobilisieren Rechte gegen Flüchtlingsheime, auch in Lichtenberg. Am Dienstag will ein antifaschistisches Bündnis dagegen protestieren.
Birgit Stenzel ist Rechtsanwältin und Bezirksverordnete der Partei Die Linke, aktiv im »Lichtenberger Bündnis für Demokratie und Toleranz«.
Im zu Berlin-Lichtenberg gehörigen Dorf Falkenberg plant die Senatsverwaltung eine Containersiedlung für Asylbewerber. Sehen Sie das Aufstellen solcher Wohncontainer als Lösung für ankommende Flüchtlinge?
Containerdörfer können prinzipiell keine gute Lösung sein, geflüchteten Menschen eine angemessene Unterkunft zu bieten. Wir kritisieren vor allem das Vorgehen des Senats, die Anwohner und die Bezirkspolitiker vor vollendete Tatsachen zu stellen. Der geplante Standort birgt für die Geflüchteten viele Schwierigkeiten: lange Wege für die notwendigen Behördengänge und Arztbesuche, fehlende Schulplätze für die Kinder....
Für den morgigen Dienstag mobilisieren Rechtsradikale zu einer Demonstration gegen die geplante Containersiedlung. Missbrauchen die Rassisten Sorgen von Anwohnern?
Ja - es gibt selbstverständlich auch berechtigte Sorgen der Anwohner, wie sie nun einmal immer aus dem Zusammenleben verschiedener Menschen an einem Ort resultieren, aber diese werden durch Rassisten und Rechtsradikale instrumentalisiert und missbraucht. Vor einem »gesunden Volksempfinden« graut es mir, das wurde zu oft im »Dritten Reich« betont und sollte letztlich die Vernichtung aller Andersdenkenden rechtfertigen.
Der letzte größere rechtsradikale Aufmarsch in dieser Gegend fand im Jahre 2002 statt und endete dank antifaschistischer Gegenmobilisierung mit einem Desaster. Meinen Sie,morgen an diesen damaligen Erfolg anknüpfen zu können?
Es gibt jetzt und hier eine gute Vernetzung verschiedener zivilgesellschaftlicher Kräfte, der Stadtteilzentren und des Bezirksamtes. Sehr schnell wurden Kundgebungen und Demonstrationen angemeldet, unser Aufruf zur Gegendemonstration verbreitet. Andererseits will ich nie wieder erleben, dass ein ganzer Stadtteil, wie damals im Mai 2002, von der Polizei zu einem »No-Go Area« für Nichtnazis verwandelt wird.
Gibt es in Lichtenberg nennenswerte rechtsradikale Strukturen, oder wurde das alles von außen hereingetragen?
Sicher gibt es noch solche Strukturen in Lichtenberg, die NPD ist mit zwei Verordneten in der Bezirksparlament vertreten, Beleidigungen und Schmierereien kommen immer wieder vor. Auf der anderen Seite konnte durch gemeinsame zivilgesellschaftliche Aktionen die Schließung eines rechtsextremen Treffpunktes erreicht werden.
In Berlin-Lichtenberg wurde massiv rechtes Propagandamaterial verteilt, in dem Flüchtlinge pauschal als Kriminelle diffamiert wurden. Gibt es einen statistisch nachgewiesenen Zusammenhang zwischen der Unterbringung von Flüchtlingen und steigender Kriminalität?
Ein Zusammenhang zwischen der Unterbringung von Flüchtlingen und erhöhter Kriminalität besteht nicht, das bestätigen uns regelmäßig die Informationen auch der Polizeidirektionen.
Meinen Sie, ein solidarisches Miteinander von Flüchtlingen und Alteingesessenen organisieren zu können? Welche Pläne und Vorstellungen gibt es in diesem Zusammenhang?
Es gibt von verschiedenen engagierten Menschen und Initiativen konkrete Hilfsangebote für die Geflüchteten, zum Beispiel Deutschunterricht, oder die Aktion »ein Karton voll Weihnachten« für Kinder und Jugendliche in den Heimen, die durch das Bündnis für »Demokratie und Toleranz in Lichtenberg« organisiert wird.
In Lichtenberg ist Ihre Partei Die Linke vergleichsweise stark. Wie positionieren sich die anderen Parteien im Bezirk?
Am »Bündnis für Demokratie und Toleranz« sind, neben verschiedenen zivilgesellschaftlich Engagierten, Abgeordnete und Verordnete aus Linkspartei und SPD sowie alle Bezirksamtsmitglieder beteiligt. In der letzten Bezirksverordnetenversammlung wurde durch die Verordneten von Linke, SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und Piraten einhellig der Beschluss verkündet; »Flüchtlinge sind in Lichtenberg willkommen«.
Aufruf zur antifaschistischen Gegendemonstration am Dienstag: »Willkommen in Lichtenberg. Solidarität mit Flüchtlingen«, http://lichtenberg.blogsport.de/
Interview von Gerd Bedszent (für Junge Welt, 15.12.2014)