Gegen die drohende Obdachlosigkeit von Asylbewerbern wurden Turnhallen des Landes Berlin bereitgestellt. Das LAGeSo hat sieben Sporthallen »beschlagnahmt«, um dort Flüchtlinge kurzfristig unterzubringen. Das finden nicht alle gut.
Als der Berliner Sportverein BFC Dynamo am Mittwochmittag eine E-Mail erhielt, waren Überraschung und Unmut unter den Vorstandsmitgliedern groß. Mit sofortiger Wirkung sei die Sporthalle in der Klützer Straße in Hohenschönhausen vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) beschlagnahmt, weil dort kurzfristig Flüchtlinge untergebracht werden müssen, teilte das Bezirksamt Lichtenberg dem Sportverein mit. »Das ist doch keine Art, uns so kurzfristig zu informieren«, ärgert sich Sven Radecke, Vorstandsmitglied des BFC Dynamo. Der Verein müsse bis Donnerstag die Halle räumen, so die Anweisung, die der Bezirk an den Verein weitergab. Die zwei Sporthallen in der Klützer Straße teilen sich elf Sportgruppen, der BFC Dynamo führt dort seit 2003 ein Kita-Sport-Projekt durch. »Beschlagnahmung, wir sind doch nicht im Krieg«, ärgert sich Radecke, »bei allem Verständnis für die Flüchtlinge« über die Kurzfristigkeit der Maßnahme.
Bei den Vereinen warb der stellvertretende Bezirksbürgermeister Andreas Prüfer (LINKE) um Verständnis für die Situation. Aber auch Prüfer sowie die für Sport und Soziales zuständige Bezirksstadträtin Kerstin Beurich (SPD) selbst kritisierten die überrumpelnde Informationspolitik des LAGeSo und fordern den Senat auf, andere geeignete Standorte für eine Unterbringung zu suchen. »Sporthallen können keinesfalls eine tragfähige langfristige Unterbringungsmöglichkeit sein«, so das zuständige Bezirksamt in der Stellungnahme. Um eine langfristige Unterbringung gehe es dem LAGeSo hier aber gar nicht, erklärt Silvia Kostner, Pressesprecherin des LAGeSo. »Nur wenn wir gar keine andere Möglichkeit haben, greifen wir auf solch kurzfristige und temporäre Maßnahmen zurück.« Außerdem hätte das LAGeSo die Bezirke bereits vor Wochen um Listen über Sporthallen, die nicht zum Schulsport genutzt werden, gebeten. Den Unmut der betroffenen Vereine, insgesamt wurden sieben Sporthallen beschlagnahmt, fünf im Westen, darunter auch die der Technischen und Freien Universität, und zwei im Osten, kann Kostner zwar verstehen, das LAGeSo müsse aber seine Aufgabe zum Schutz der Flüchtlinge vor Obdachlosigkeit wahrnehmen. Durch das sogenannte ASOG - das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz - des Landes Berlin ist es dem LAGeSo möglich, kurzfristig auf Liegenschaften des Landes zurückzugreifen. Man arbeite aber momentan daran, mehrere Gebäude, darunter eine Kaserne und eine leerstehende Psychiatrie, herzurichten, um möglichst bald adäquate Unterbringungsmöglichkeiten für die Flüchtlinge stellen zu können. »Wir hoffen, dass wir die Sporthallen in zwei bis drei Monaten zurückgeben können«, so Kostner.
So lange müssen die Kinder aus dem Kita-Projekt in der Klützer Straße jedoch gar nicht auf ihren Sport warten. Während sich in sozialen Netzwerken auf einer inoffiziellen BFC-Dynamo-Unterstützer-Seite bereits in einigen Kommentaren blanker Hass gegenüber der Entscheidung, Flüchtlinge in die Sporthallen einzuquartieren, niederschlug (»Ich könnte kotzen, Flüchtlinge vor Kindern«, »Unverschämtheit«, »Auf zu Pegida«), wurde für das Sportprojekt der Kinder für die kommende Woche bereits eine Ausweichsporthalle im Bezirk gefunden.
Von Celestine Hassenfratz
http://www.neues-deutschland.de/artikel/957986.sporthallen-fuer-fluechtlinge.html