Das Amtsgericht Tiergarten sieht es als erwiesen an, dass der NPD-Landesvorsitzende Sebastian Schmidtke für den »Nationalen Widerstand Berlin« (NW-Berlin) tätig war. Der Neonazi hatte das bestritten.
Der Landesvorsitzende der rechtsextremen Berliner NPD, Sebastian Schmidtke, ist am Montag zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden, die auf zwei Jahre Bewährung ausgesetzt wurde – erst am Freitag war der 29-jährige Neonazi wegen Volksverhetzung zu zehn Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Beide Urteile sind noch nicht rechtskräftig. In dem Verfahren am Montag vor dem Amtsgericht Tiergarten ging es diesmal um eine falsche eidesstattliche Versicherung, die der Rechtsextremist im Januar 2013 abgegeben hatte. In der Erklärung hatte Schmidtke behauptet, er sei »zu keinem Zeitpunkt« Mitglied der Organisation »Nationaler Widerstand Berlin«, insbesondere in keiner »gehobenen Funktion« gewesen.
Hintergrund für die eidesstattliche Versicherung des einschlägig vorbestraften Rechtsextremisten war eine Unterlassungserklärung, mit der Schmidkte Ende 2012, dem Fraktionsvorsitzenden der LINKEN im Abgeordnetenhaus, Udo Wolf, untersagen wollte, ihn weiter als einen der »führenden Köpfe« von »NW-Berlin« zu bezeichnen. In der Neonazi-Organisation hatte sich nach den Verboten wichtiger Kameradschaften in Berlin die militante Neonazi-Szene organisiert. Auf Unterseiten der Homepage von »NW-Berlin« wurden auch sogenannte Feindeslisten geführt, auf der Nazi-Gegner mit Adressen aufgelistet waren, verknüpft mit der Drohung, diesen Besuche abzustatten. In der Folge kam es tatsächlich zu einer Vielzahl von Attacken bis hin zu einer Serie von Brandanschlägen gegen linke Projekte, darunter auch auf das Anton-Schmaus-Haus des sozialistischen Jugendverbandes »Die Falken«. Udo Wolf hatte, nachdem Schmidtke seine Unterlassungserklärung zurückgezogen hatte, umgehend Anzeige wegen falscher eidesstattlicher Versicherung gegen Schmidtke erstattet.
Vor dem Amtsgericht Tiergarten in Saal 101 ging es am Montag also vor allem um die Frage, ob Schmidtke Teil von »NW-Berlin« war oder nicht. Schmidkte selbst bestritt dies in der Verhandlung erneut: Er sei zu keinem Zeitpunkt Mitglied »dieser ominösen« Organisation gewesen, noch habe er eine Funktion, geschweige denn in herausragender Bedeutung gehabt, sagte er.
Im Beweisverfahren vor Gericht wurden durch Zeugenbefragungen von Udo Wolf und einer Polizistin des Landeskriminalamts jedoch zahlreiche Belege für eine Mitgliedschaft Schmidtkes in dem militanten Netzwerk vorgebracht: So ist der Rechtsextremist beispielsweise auf einem Foto bei einem Aufmarsch am 1. Mai 2011 zu sehen, wo er an einem Rednerpult steht, an das vorne ein Banner von »NW-Berlin« gehängt worden war. Bei einer Hausdurchsuchung wurde überdies ein Urlaubsfoto Schmidtkes gefunden, auf dem der Schriftzug »NW-Berlin« mit Steinen in den Strand geschrieben zu sehen ist. Weitere Belege waren die Kontakttelefonnummer von »NW-Berlin«, die auf Schmidtkes Namen lief, sowie ein Interview, in der er die Homepage der gewaltbereiten Neonazis als »unsere Weltnetzpräsenz« bezeichnet hatte.
Die von Schmidtkes-Verteidiger Carsten Schrank vorgebrachte Argumentation, »NW-Berlin« sei keine »Organisation«, sondern lediglich eine Internetplattform, weswegen auf Freispruch zu plädieren sei, verfing dagegen nicht. Die Richterin folgte zwar auch nicht der Staatsanwaltschaft, die sechs Monate Freiheitsstrafe gefordert hatte, sprach Schmidtke zu der zu Beginn dieses Artikels genannten Strafe schuldig: »Sie waren für den NW-Berlin tätig«, erklärte die Richterin.
Eine Feststellung, die für den Rechtsextremisten noch weitere Folgen haben könnte, denn im Zusammenhang mit den Straftaten von »NW-Berlin« wird noch immer ermittelt. Linksfraktionschef Udo Wolf bezeichnete das Urteil im Anschluss als »Erfolg«: Das Gericht teilte unsere Einschätzung, wonach Schmidtke einer der führenden Köpfe von »NW-Berlin« ist, sagte er. Es sei allerdings auch bemerkenswert, dass die Klärung des Sachverhaltes so lange gedauert habe. Nach den Ankündigungen von Innensenator Frank Henkel (CDU), der nach dem NSU-Skandal die Bekämpfung des Rechtsextremismus zum Schwerpunkt erklärt hatte, habe man sich mehr Engagement erwartet, kritisierte Wolf.
Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) sieht in dem Urteil »ein wichtiges Signal«, auch für die Opfer der Neonazis. »Mit der Verurteilung Schmidtkes kommt endlich Licht ins Dunkel«, sagte Klose dem »neuen deutschland«. Denn zwischen denen, die die Internetseite zu verantworten hatten, gibt es Überschneidungen zu jenen, die die Anschläge verübten.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/933400.berliner-npd-landeschef-erneut-verurteilt.html